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Aus den Magazinen des Landesarchivs (März 2022)

Bomben auf Brandgänse - Auswirkungen auf die Fischerei durch die Nutzung des Großen Knechtsand als Bombenabwurfgebiet der britischen Luftwaffe nach dem Knechtsandabkommen von 1951-1957 (NLA ST Rep. 108, Nr. 108)


 
 

Im Oktober 1951 fand im Bundeskanzleramt in Bonn eine Fachausschuss-Sitzung statt, um die Eignung des Hochsands Großer Knechtsand vor Cuxhaven als alternativen „Ersatzzielpunkt“ der Royal Air Force für Bombenabwurfübungen zu diskutieren. Bedenken auf deutscher Seite bestanden bezüglich einer Hinderung der Seeschifffahrt, vor allem aber hinsichtlich der noch sehr viel stärker betroffenen Fischerei, wie das staatliche Fischereiamt Bremerhaven in der vorliegenden Akte dokumentiert hat. Verabredungen wurden sowohl für die Schifffahrt als auch die Fischerei im Hinblick auf exakt festgesetzte Abwurfgebiete (s. Abb. oben) und Zeitfenster für die Übungen getroffen. Die Fischer erhielten zudem Schadensausgleich-Zahlungen. Am 9. September 1952 schließlich sandte das Bundeskanzleramt dem hohen Kommissar des Vereinigten Königreiches den Text des Knechtsand-Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich zu, welches die Nutzung des Hochsandes durch die RAF vorsah (s. Abb. links). Erlaubt waren Sprengbomben mit einem Höchstgewicht von 450kg, die maximale Anzahl pro Übung wurde auf 100 Bomben festgesetzt. Damit war Ersatz für die seit dem 1. März 1952 für die Wiederbesiedlung freigegebene Insel Helgoland gefunden worden.

Heftiger Widerstand gegen die Benutzung des Knechtsandes als militärisches Übungsgebiet kam von Naturschützern, die 1954 mit dem Tod von zehntausenden Brandgänsen nicht nur die „größte Tierkatastrophe“ protokollierten, sondern auch Schäden an Häusern und einem Elektrizitätswerk in Cuxhaven vermerkten. Die Öffentlichkeit wurde hellhörig, sodass sogar die BILD-Zeitung am 10. September 1957 von ihrem Besuch auf der „Bombeninsel“ berichtete. In den Verhandlungen der britischen und deutschen Ämter versuchte man zunächst, mit dem Verzicht von „explosiven Bomben“ in der Mauserzeit der Gänse den breit getragenen Widerstand gegen das Bombenabwurfgebiet Großer Knechtsand zu stoppen. Im Herbst 1957 aber lief die Gültigkeit des Knechtsand-Abkommens aus, und es wurde nicht verlängert. Fortan hieß es nicht mehr „Bomben auf Brandgänse“, sondern „Knechtsand – Mauserparadies der Brandgänse“.

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