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Aus den Magazinen des Landesarchivs (März 2021)

„Die Sünderin“ auf der Anklagebank (1951) (NLA OS Dep 76 b Akz. 5/1988 Nr. 243)


Die Herzog-Film-GmbH in München erwidert auf die Empfehlung der Bürgermeister der Städte Lingen, Meppen, Nordhorn und Papenburg vom 19. März 1951, die Aufführung des Films „Die Sünderin“ in den emsländischen Städten und Gemeinden zu verbieten   Bildrechte: NLA
Werbung für „Die Sünderin“ im Osnabrücker Tageblatt: In Osnabrück wurde der Film im Kino (Filmtheater) „Ritz“ an der Lotter-Straße erstmals am Freitag, 19. Januar 1951 aufgeführt.leer Bildrechte: NLA
NLA OS Slg 100 I, Osnabrücker Tageblatt Jg. 67, Januar-März 1951, fol. 69v [18.01.1951, S. 8]

Der 1950 uraufgeführte Film „Die Sünderin“ gehörte zu den Skandalfilmen der noch jungen Bundesrepublik. Der Film erzählt die Geschichte der Prostituierten Marina, gespielt von Hildegard Knef, die ihrem lebensmüden Geliebten beim Selbstmord assistiert. Die dominanten Themen des Films, insbesondere Prostitution, wilde Ehe, Sterbehilfe und Selbstmord sowie Hildegard Knefs Freizügigkeit brachen mit den zeitgenössischen Tabus. Kirchen, Politik und Verwaltung riefen daher - mehr oder weniger stark - zum Boykott des Films auf und forderten ein Aufführungsverbot.

Auch in den konfessionell geprägten ländlichen Regionen des Regierungsbezirkes Osnabrück sorgte der Film für gesellschaftliche Auseinandersetzungen und wurde als Frontalangriff auf die Grundwerte der jungen Demokratie gesehen. In Lingen und in Nordhorn veranlassten die Stadträte im März 1951 polizeilich angeordnete Aufführungsverbote und empfahlen allen emsländischen Kommunen, die Aufführung des Films zu verbieten.

Während der Rat der Stadt Nordhorn dieses Verbot bereits im Mai 1951 auf Anraten der Hannoverschen Städte- und Kommunalverbände wieder zurücknahm blieben Rat und Kreistag in Lingen bei ihrer kompromisslosen Linie und wiesen die Beschwerden des Herzog-Film-Verleihs gegen das Verbot zurück. Im Januar 1952 bestätigte das Landesverwaltungsgericht in Osnabrück die Rechtswirksamkeit dieses Verbots (NLA OS Rep 970 Nr. 3 Teil 1). Dem widersprach allerdings das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg im November 1952: Der Polizei stünde bei geistigen Gütern nicht das Recht zu, eine Zensur auszuüben, zumal auch die öffentliche Ordnung durch den Film nicht gefährdet gewesen sei. Polizei und Verwaltungsgerichte stehe „das Amt des Sittenrichters und des Zensors nicht zu“ (NLA OS Rep 970 Nr. 3 Teil 1).

Erst eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1954 beendete die Diskussion: „Die Sünderin“ sei keine Meinungsäußerung, sondern gelte als Kunstwerk und sei damit durch die die Kunstfreiheit geschützt. Ein polizeiliches Einschreiten gegen einen Film fehle damit die rechtliche Grundlage.

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