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Aus den Magazinen des Landesarchivs (Oktober 2020)

Die Raketentests des Reinhold Tiling auf Wangerooge – ein Raketenpionier in Niedersachsen (NLA OL Best. 231-3 Nr. 1986)


Bildrechte: NLA

Der Ingenieur Reinhold Tiling (1893-1933) hatte sich 1928 das Patent für eine Kammerrakete registrieren lassen und im Sommer 1929 in Meppen nach vielen Fehlversuchen die erste Rakete gestartet. Die erste deutsche Postrakete hob am 15. April 1931 am Dümmer in Niedersachsen ab. Um ungestört weitere Versuche duchführen zu könne, pachtete Tiling danach ein Übungsgelände auf der Insel Wangerooge (Vertrag 20. Mai 1931 mit dem Jeveraner Amtshauptmann). Die Raketenversuche fanden abseits der Siedlung in den Ostdünen statt, es musste auf das Meer gezielt werden und die Versuche mussten zwei Wochen vorher in Zeitungen bekannt gemacht werden. Tiling erhielt sogar Geldzuschüsse aus dem Wangerooger Kurtaxfonds. Am 30. November 1931 schoss der Ingenieur 21 unterschiedliche Raketen ab; im folgenden Sommer 1932 verfolgten zahlreiche Badegäste die Raketenstarts. Mit zunehmender Publizität – die „Fox tönende Wochenschau“ berichtete, auch das Ausland wurde aufmerksam – vermehrten sich jedoch die Hindernisse: Geldmangel trat ein, Tierschutzvereine wandten sich protestierend gegen den geplanten Einsatz von lebenden Versuchstieren wie Hunden und Katzen als „Raketenpassagieren“. Denn Tilings Fernziel war die bemannte Rakete als Interkontinentalverbindung; Nahziel jedoch war der Aufbau einer Raketen-Postverbindung vom Land zu den Ostfriesischen Inseln.


Tiling entwickelte zwei Raketenflugzeuge, verwendete vorausschauend verschiedene nacheinander zündende Raketenstufen und nahm das Konzept des amerikanischen Spaceshuttle „Columbia“ vorweg: seine Rakete sollte wie ein Geschoss starten, aber wie ein Gleitflugzeug landen. Die Pläne weckten Interesse im Ausland, aus England kam ein lukratives Angebot für die Patentrechte, auch China fühlte über Berliner Kanäle vor. In Berlin war es auch einmal zu einem Treffen Tilings mit dem Raketenkonstrukteur Wernher von Braun gekommen – dem Mann, der letztlich später den Weg zur Raumfahrt und Eroberung des Weltalls erfolgreich gehen sollte. Tilings Weg dagegen endete tragisch. Bei einer Explosion Oktober 1933 auf Gut Arenshorst bei Osnabrück während Raketentests wurden die drei Beteiligen - Tiling, seine Assistentin und der Schmied - schwer verletzt; sie erlagen alle drei am folgenden Tag im Krankenhaus.

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