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Aus den Magazinen des Landesarchivs (Januar 2023)
Die Harzschützen als angeblich bäuerliche Widerstandsbewegung im Dreißigjährigen Krieg (1627) (NLA WO 40 Slg Nr. 1728)
Im Mai 1627, mitten im Dreißigjährigen Krieg, stellte Herzog Friedrich Ulrich von Wolfenbüttel allen Untertanen, die sich zur „Plünderey, Landtzwinger- und Mordbrennerey“ zusammengeschlossen hatten, Straffreiheit in Aussicht, wenn sie die Waffen niederlegten und in ihre Berufe zurückkehrten. Die herzogliche Amnestie richtete sich an Männer, welche die Nachwelt später als „Harzschützen“ bezeichnet hat. Wer diese Schützen waren, ist bis heute schwer auszumachen, sind sie doch von Deutungen und Ausgestaltungen überlagert. Friedrich Ulrich zufolge hatten die in Niedersachsen stehenden Dänen unter König Christian IV. nach der verlorenen Schlacht bei Lutter am Barenberge im Vorjahr seine Untertanen zum Widerstand gegen Kaiser und Katholische Liga aufgestachelt. Wie der Herzog aber selbst zugab, stand diese Deutung unter dem maßgeblichen Einfluss von General Tilly, der mit seiner Armee das Fürstentum besetzt hielt, und sollte die unbedingte Kaisertreue des Herzogs unterstreichen. Die Geschichtswissenschaft der DDR hat die Harzschützen hingegen zu einer sozialrevolutionären bäuerlichen Widerstandsbewegung gegen den feudalen Klassenfeind verklärt, was bis heute nachwirkt. Hinzu traten anekdotische Erzählungen und Schwänke volkstümlicher Art.
Aufschlussreich ist hingegen, wer auf die Amnestie des Herzogs tatsächlich einging. So lässt sich etwa eine Schar von Schützen ausmachen, deren Mitglieder allesamt ehemalige Soldaten waren, die aus dem hessischen Dudenrode stammten. Die zeitgenössischen Berichte legen nahe, dass die Harzschützen zu Teilen gar nicht aus dem Harz kamen, sondern diesen nur als Operationsgebiet und Rückzugsort nutzten. Gewalt übten die Schützen, die in vielen Fällen zuletzt keine Bauern, sondern eben Soldaten gewesen waren, gegen die katholischen Truppen und die Einheimischen gleichermaßen aus. Statt hehrer politisch-konfessioneller Ziele stand das eigene Überleben in Zeiten von Krieg und Krise im Vordergrund. Hinter vielen Quellen zu Räubereien lassen sich bei eingehender Lektüre die Schützen ausmachen, die zudem in zahlreiche Gruppen zerfielen und keine homogene Bewegung darstellten. Das Phänomen der Harzschützen harrt allerdings noch der ideologiefreien und systematischen Untersuchung.
Zum Weiterlesen: https://histbrun.hypotheses.org/3519