Hier finden Sie früher vorgestellte Archivalien.
Aus den Magazinen des Landesarchivs (September 2018)
Das Raumschiff am Jadebusen: Stadtplan von Wilhelmshaven aus dem Jahre 1891 (NLA OL, Best. 298 Z Nr. 1529c)
Wilhelmshaven gehört nicht zu den Städten in Niedersachsen, deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung einer Erfolgsstory gleicht. Im Gegensatz zu fast allen anderen kreisfreien Städten verlor Wilhelmshaven bis vor kurzem Einwohner, hat eine relativ hohe Arbeitslosigkeit und erscheint als Arbeits-und Wohnort wenig attraktiv. Es gibt gute Gründe und erste Anzeichen, dass sich dies bald ändern könnte: Der Tiefseehafen an der Jade nimmt etwas Fahrt auf, die Stadt liegt in einer Region, die touristisch Statur bekommt.
Völlig anders aber hätte man Wilhelmshaven beurteilt, als dieser Stadtplan entstand. Er zeigt die Stadt in der Auf- und Ausbauphase der wilhelminischen Zeit, als Kaiser Wilhelm II. jedes Jahr zu Besuch an die Jade kam, um zu besichtigen, was er selbst mit ganzem Herzen befürwortete und förderte: den Ausbau Wilhelmshavens zu dem Marinestandort Deutschlands an der Nordseeküste. Dafür eigneten sich die natürlichen Gegebenheiten am Jadebusen in besonderer Weise. Die Jade verhindert durch eine relativ starke Strömung das Versanden am westlichen Ufer, zudem war ein Angriff auf den Hafen durch die vorgelagerten Inseln und Sandbänke nur schwer durchführbar bzw. leicht abzuwehren.
Zwar konnte Wilhelmshaven Kiel im Kaiserreich nie das Wasser reichen, aber es war schon Aufsehen erregend, was hier an der Westküste des Jadebusens in wenigen Jahrzehnten entstand. Man kann es durchaus mit dem Aufstieg von Städten wie Dubai oder Panama-City in der heutigen Zeit vergleichen: Wo um 1850 noch Kühe der Marschbauern grasten, wurden mit modernster Technik Schiffe gebaut, entstand eine Großstadt mit großstädtischer Bebauung und Straßenbahn, dies alles sozusagen auf grüner Wiese. Für die Bevölkerung nicht nur des oldenburgischen Frieslands musste dies wie ein Raumschiff wirken, das am Jadebusen gelandet war. Dass ein Jules Verne hier vorbeisegelte, um sich dies anzuschauen, verwundert nicht.