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Aus den Magazinen des Landesarchivs (April 2018)
Aufruf zur Demonstration in Göttingen anlässlich des Attentats auf Rudi Dutschke im April 1968 NLA - Hannover, Nds. 100 Acc. 186/94 Nr. 15 Bl. 21
Am 11. April 1968 trafen den Berliner Studentenführer Rudi Dutschke auf dem Kurfürstendamm drei Pistolenschüsse aus der Waffe eines jungen rechtsradikalen Hilfsarbeiters. Das Attentat löste eine Welle von Protesten aus, die sich nicht zuletzt gegen den Axel-Springer-Verlag richtete. Der Springer-Presse mit Bild-Zeitung, Welt, Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost und B.Z. wurde vorgeworfen, die Gewalttat durch aufhetzende Berichterstattung mit verschuldet zu haben. Dutschke überlebte schwerstverletzt und musste mit großer Mühe das Sprechen neu erlernen.
Die Universitätsstadt Göttingen erlebte am 16. April bereits die zweite Demonstration. Mit dem Aufruf Stoppt Springer – schafft Gesetze für eine demokratische Presse! Enteignet Springer! lud der AStA zum Marsch vom Weender Tor zum Rathausplatz. Das abgebildete Flugblatt ruft ebenfalls zu der Kundgebung auf. Unterzeichnet von 30 Personen, darunter Gewerkschaftsfunktionäre und drei Universitätsprofessoren, betont es den gemeinsamen Kampf von Studenten, Arbeitern und Angestellten gegen die vom Deutschen Bundestag vorbereiteten Notstandsgesetze.
Am 25. April berichtete der Hildesheimer Regierungspräsident dem Niedersächsischen Innenministerium über die Demonstration und fügte neben verschiedenen Flugblättern auch nach Tonbandaufnahmen gefertigte Niederschriften der auf dem Marktplatz gehaltenen Ansprachen bei. Sie bezeugen 50 Jahre später, dass die Außerparlamentarische Opposition zumindest in diesem besonderen Moment breitere Kreise umfasste.
Rudi Dutschke starb 1979 an einem von Spätfolgen der Verletzungen verursachten Unfall; ihm stand womöglich ein Comeback bei den „Grünen“ bevor, bei deren Gründung er sich engagierte. Die Kochstraße, an der das 1966 direkt an der damaligen Berliner Mauer errichtete Axel-Springer-Hochhaus steht, trägt seit 2008 seinen Namen.