Niedersachsen klar Logo

Aus den Magazinen des Landesarchivs (März 2013)

Jan Gerdes (1896-1933), erstes Todesopfer des NS-Regimes im Land Oldenburg im März 1933 (Staatsarchiv Oldenburg; Best. 140-5 Nr. 1176)


StA Oldenburg Best. 140-5 Nr. 1176  
StA Oldenburg Best. 140-5 Nr. 1176  

Vor nunmehr 80 Jahren fanden die letzten halbwegs freien Reichstagsahlen statt. Die wenigen Wochen seit der sogenannten „Machtergreifung“ am 30. Januar waren jedoch schon durch gezielte Repressionen und die Ausschaltung von politischen Gegnern der NSDAP geprägt. Dazu zählte auch als erstes (bekannte) Todesopfer im Land Oldenburg der Arbeiter und kurzzeitige Landtagsabgeordnete Jan Gerdes.

Schon vergleichsweise früh – seit Juni 1932 – war die NSDAP in Oldenburg an die Macht gelangt. Erst seit Oktober 1932 gehörte der in Ofenerdiek bei Oldenburg lebende Gerdes dem Landtag als nachrückender KPD-Abgeordneter an. Im Vorfeld der Reichstagswahl suchten ihn am Abend des 3. März 1933 mehrere SA-Männer auf, um ihm – angeblich wegen einer Auseinandersetzung mit einem „alten SA-Mann“ einige Tage zuvor – „eine Tracht Prügel zu verabfolgen“. Die Angelegenheit eskalierte, da schon bald ein SA-Mann 5 Schüsse auf ihn abgab, so dass Gerdes zwei Tage später seinen Verletzungen erlag. Obwohl die Täter ermittelt wurden, erteilte das Staatsministerium die rechtsstaatswidrige Weisung, das Verfahren einzustellen. Wie in vielen Fällen, verliefen die Grenzen des politischen Kampfes, der auch durch eine hohe Gewaltbereitschaft der radikalen Parteien geprägt war, durch die Familien selbst: Der Haupttäter war seit 1930 SA-Mann, sein Bruder bei der KPD.

Nach der Verhaftung der Beteiligten ab Mai 1945 und der Wiederaufnahme der Ermittlungen im Februar 1946 fand der Prozess wegen Totschlags 1947 vor dem Landgericht Oldenburg statt. Der Hauptschuldige erhielt eine 15jährige Zuchthausstrafe.

Im „Biographischen Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg“ hat Gerdes einen eigenen Eintrag erhalten. Seit 1998 ist außerdem in Ofenerdiek eine Straße nach ihm benannt.

Die Prozessakte mit zahlreichen Zeugenaussagen und dem Urteil wird heute im Staatsarchiv Oldenburg aufbewahrt. Wie viele andere Prozessakten der Nachkriegszeit bildet sie eine wertvolle Quelle zur Geschichte des Nationalsozialismus und zu seiner juristischen Aufarbeitung nach dem Zweiten Weltkrieg.

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln