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Aus den Magazinen des Landesarchivs (Oktober 2019)

Eine Reaktion auf die Zwangsemeritierung des Historikers Prof. Dr. Hermann Oncken (1869-1945) durch die Nationalsozialisten im Jahr 1935 (NLA OL Dep. 84: Best. 271-14 Nr. 61)


Mit einem 1935 vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften gehaltenen Vortrag zu „Wandlungen des Geschichtsbildes in revolutionären Epochen“ endete eine bemerkenswerte Historikerkarriere, die in Oldenburg und – wenn man so will – sogar im Standort Oldenburg des Landesarchivs ihren Ausgang genommen hatte. Onckens kritische Feststellung, dass die jüngste Geschichtsforschung durch ein „Nebeneinander von fruchtbaren Gedanken (…), aber auch von zeitgebundener Willkür“ geprägt sei, „die in einzelnen Fällen auch vor gewagten Hypothesen und unechtem Material nicht zurückscheu(e)“, wurde von den Nationalsozialisten genutzt, um den Weg für Historiker frei zu machen, die sich in den Dienst der NS-Ideologie zu stellen bereit waren. Als Mitglied der Nationalliberalen Partei hatte Oncken schon die politischen Verhältnisse am Ende des Kaiserreichs kritisiert und in der Folgezeit – anders als viele Zunftkollegen –die Weimer Republik als „Vernunftrepublikaner“ unterstützt.

Die Mitbegründerin der CDU in Goslar und zeitweilige Bundestagsabgeordnete Dr. Else Brökelschen-Kemper (1890-1976), wohl eine Schülerin Onckens, war über die Vorwürfe gegen Oncken empört und schrieb am 6. März 1935 u.a.: „Ich empfinde die ganze Angelegenheit (…) mehr als Symptom unserer gesamten inneren Situation, denn als Anwurf gegen Sie persönlich. Sie sind nur der markanteste ‚Exponent‘ einer wissenschaftlichen Richtung und den Leuten deshalb unbequem, weil Sie manche Dinge deutlicher gesagt haben als andere Herren Kollegen. Zwischen Ranke [= großer Historiker des 19. Jahrhunderts] und Rosenberg [= NS-Ideologe] wird es ja nie eine Verständigungsmöglichkeit geben; es kommt da nur darauf an, wie lange es dauert, bis die öffentliche Meinung wieder den Unterschied zwischen Historie und Kulturpolitik begreift.“

Hermann Oncken wurde am 16. November 1869 – vor nunmehr 150 Jahren – in Oldenburg als Sohn des aus Aurich stammenden Kaufmanns und Hofkunsthändlers Karl Gerhard Oncken geboren. Mit einer Arbeit „Zur Kritik der oldenburgischen Geschichtsquellen im Mittelalter“ wurde Hermann Oncken 1891 in Berlin promoviert, mit einer Biographie des Grafen Christoph von Oldenburg (1504-1566) habilitiert. 1891-1894 arbeitete Oncken unter dem Archivar Dr. Georg Sello im Großherzoglichen Haus- und Centralarchiv in Oldenburg; mit Sello gründete er auch 1892 das noch heute von den Archivaren des Standorts Oldenburg redaktionell mitbetreute „Oldenburger Jahrbuch“.

1895 entschloss sich Oncken jedoch zu einer Universitätslaufbahn, die ihn nach einem Aufenthalt in Chicago 1906 als Professor nach Gießen, Heidelberg, München und Berlin führte. Mit Aktenpublikationen erschloss er auch noch als Professor archivische Quellen, u.a. zur politischen Geschichte des Kaiserreichs. Mit vielen Büchern, Aufsätzen und Vorträgen wurde Oncken damals zu einem der bekanntesten deutschen Historiker. Zu seinen Schülern zählen zahlreiche angesehene Professoren, u.a. Gerhard Ritter. Seit 1950 wird der Nachlass Oncken im Auftrag der Familie von den Archivaren des Standorts Oldenburg verwaltet (Dep 84).

 
 
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