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Aus den Magazinen des Landesarchivs (Juni 2015)

Der Tod Herzog Friedrich Wilhelms von Braunschweig in der Schlacht von Quatrebras (1815) (NLA - Wolfenbüttel - 50 Slg 7 Nr. 6)


NLA WO 50 Slg 7 Nr

Die Abbildung zeigt den Tod des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig in der Schlacht bei Quatrebras, einer der „Vorschlachten“ von Waterloo, am 16. Juni 1815. Wie geht man mit solchen Abbildungen um? Wird hier die Realität abgebildet oder sollen sie andere Zwecke erfüllen? Auf Schlachtenbilder blicken wir nach den Erfahrungen der schrecklichen Kriege des 20. Jahrhunderts äußerst skeptisch. Gleichzeit ertappen wir uns aber auch dabei, dass wir frühere Kriege kühler betrachten. Noch mehr: Den Kriegen vor dem Ersten Weltkrieg droht in unserer Rückschau die absolute Verharmlosung. Vielleicht liegt das auch an Bildern wie diesem. Sie stehen unter dem Generalverdacht, mehr die Darstellung von Mut und Tapferkeit im Auge zu haben als eine realitätsnahe Wiedergabe des Geschehens. Im Zentrum des Bildes reitet Friedrich Wilhelm an der Spitze von Fußsoldaten und bietet ein buchstäblich todsicheres Ziel für den Gegner. Warum macht er das? Wo überhaupt liegt das Motiv für einen regierenden Herzog, selbst in den Krieg zu ziehen? Andere Landesherren überließen dies längst allein ihren Offizieren und Mannschaften. Wenn der Eindruck nicht täuscht, stehen die Braunschweiger Herzöge unter den deutschen Fürsten ihrer Zeit tatsächlich völlig allein da. Schon der Vater Friedrich Wilhelms fiel 1806 bei Jena und Auerstedt, und zwar als Oberbefehlshaber der untergehenden preußischen Armee. Und dadurch verlor der Sohn auch sein Land. Die Welfen, die ja auch Napoleons Hauptfeind Großbritannien regierten, verloren insgesamt ihre deutschen Territorien. Deshalb war Friedrich Wilhelm besonders motiviert, in den Kampf gegen Napoleon persönlich einzugreifen. 1809 gelang es ihm sogar kurz, mit einem kleinen Heer nach Braunschweig zurückzukehren, ehe er sich nach Großbritannien absetzen konnte, um den Widerstand gegen Napoleon fortzusetzen. In dieser besonderen Biographie liegt wohl auch der Grund für seine Teilnahme an der Entscheidungsschlacht gegen den Usurpator, wie Napoleon gerne von den europäischen Adelshäusern genannt wurde. Das Land Braunschweig war allerdings durch den Wiener Kongress längst wiederhergestellt. Herzog Friedrich Wilhelm hätte also in Braunschweig bleiben können. Da er zwei unmündige Söhne hatte, gab es genügend Gründe, sich nicht weiteren Gefahren auszusetzen. Der Herzog hatte ein wichtiges Ziel erreicht, wenn auch ein - angesichts der Gewinne anderer Fürsten, die sogar zeitweise auf französischer Seite gestanden hatten - äußerst bescheidenes Ziel. Eine Vergrößerung des Herzogtums Braunschweigs etwa auf Kosten England-Hannovers, auf dessen Seite Friedrich Wilhelm ja gekämpft hatte, stand offensichtlich nie zur Debatte. Vielleicht erhoffte er sich aber gerade durch seinen eigenen militärischen Einsatz eine neue Diskussion darüber, wenn Napoleon endgültig besiegt war.


Aber zurück zum Bild: Bei seinem Anblick drängt sich die Frage nach seiner Authentizität geradezu auf. Ritt der Herzog wirklich so allein in Richtung des Gegners? Wird hier nicht „geschönt“, um seinen Heldenmut zu überhöhen? Interessant ist, dass es gerade zum Tod des Herzogs einen Bilderstreit in Braunschweig gab. Empört über ein anderes Bild, sah sich Jahrzehnte nach der Schlacht der Waterloo-Veteran Ernst Karl Külbel zu einer Gegendarstellung herausgefordert. Ihn machte wütend, dass Offiziere bei der gefährlichen Bergung des noch lebenden Herzogs dargestellt sind, die in Wirklichkeit daran nicht beteiligt waren. Er selbst sei dabei gewesen und somit Kronzeuge des Geschehens. In seinem detaillierten Bericht gibt er indirekt auch Hinweise, wie die hier gezeigte Abbildung zu beurteilen ist. Und das ist die eigentliche Überraschung: Wenn man Külbel, damals Korporal, glaubt, dann war es fast genau so, wie es hier dargestellt ist. Zitat: „Gegen diese mit uns vereinten Truppen richtete sich nun der Angriff der französischen Kavallerie, und sie mochte wohl auf fünfzig Schritt herangekommen sein. In demselben Augenblick ritt unser durchlauchtigster Herzog, von den Husaren oder Ulanen kommend ohne alle Begleitung, mit halb rechts, gerade zwischen uns und die französische Reiterei, wo in demselben Moment ein Peletonfeuer eröffnet wurde. Dabei wurde das Pferd Sr. Durchlaucht scheu, stutzte und wollte nicht weiter, so daß noch eine zweite Salve erfolgte, wobei unser durchlauchtigster Herzog seine Wunde erhielt.“

NLA WO 50 Slg 7 Nr. 6  
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