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Aus den Magazinen des Landesarchivs (März 2011)

Bislang unbekannte Orgelzeichnung aus der Werkstatt Arp Schnitgers (1648-1719) (Staatsarchiv Oldenburg, Best. 77 Nr. 1053)


StA OL Best. 77 Nr. 1053  

In Fachkreisen als Sensation gehandelt wird ein jüngerer Aktenfund im Staatsarchiv Oldenburg. Bei Revisionsarbeiten fand Prof. Dr. Gerd Steinwascher, Leiter des Staatsarchivs, in bisher provenienzmäßig nur schwer bestimmbaren Justizakten aus dem 17.-19. Jahrhundert eine ungewöhnliche Orgelzeichnung und einen Kostenanschlag von 1705 mit der Unterschrift des berühmten Orgelbaumeisters Arp Schnitger. Schnitger kam in Schmalenfleth bei Brake zur Welt, errichtete aber später in Hamburg seine für das ganze 18. Jahrhundert „stilbildende“ Werkstatt .

Vielleicht waren es am Ende nur ästhethische Gründe, die verhinderten, dass der Kostenanschlag und die Zeichnung schon vor ca. 200 Jahren mit anderen Justizakten ausgesondert wurden. Heute hingegen stellen beide Dokumente wichtige Quellen zu Leben und Werk Arp Schnitgers dar, für dessen Gesamtwerk sich Orgelfachleute die Anerkennung als Weltkulturerbe wünschen.

Der Orgelforscher Walter Kaufmann konnte um 1960 zahlreiche Quellen für eine um 1707 neu erbaute Orgel in Bardenfleth (heute Stadt Elsfleth) ausfindig machen, nicht jedoch den Name des Orgelbauers. Er stellte allerdings schon damals aufgrund von Aktenforschungen im Staatsarchiv und in Kenntnis eines Schnitger 1699 verliehenen Orgelprivilegs die – nunmehr beweisbare – These auf, dass es sich um eine Schnitger-Orgel gehandelt haben muss. Ergänzend zum aktuellen Fund konnte dank der im Staatsarchiv bewahrten Kirchenrechnungen nun auch der endgültige Beweis für den Orgelbau durch Schnitger geliefert werden. Die Bardenflether Barockorgel, die fast 200 Jahre Bestand hatte, entsprach jedoch Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr dem Zeitgeschmack und wurde 1894 ersetzt.

Die Zeichnung ist nicht signiert, doch darf man annehmen, dass sie entweder von Schnitger persönlich oder einem engen Mitarbeiter stammt. Sie zeigt ein freistehendes, vorderspieliges Gehäuse mit einem fünfteiligen Prospekt. Vergleicht man die Bardenflether Orgelzeichnung mit anderen Schnitger-Orgeln, so erinnert diese Orgel an mehrere der bekannten Schnitger-Orgeln bzw. Teilen hiervon. Die detaillierte Analyse der Zeichnung führt jedoch zum Schluss, dass wir es zwar mit einer hochwertigen Modellzeichnung aus der Schnitgerschen Werkstatt zu tun haben. Jedoch passt sie nicht ganz zu den Angaben im Kostenanschlag von 1705. Offen muss daher weiter bleiben, ob die auf der Zeichnung dokumentierte Orgel einst tatsächlich gebaut wurde – oder ob sie „nur“ eine Modellzeichnung war und damit gewissermaßen als ein Idealbild einer Schnitger-Orgel anzusehen ist.

Angesicht der Tatsache, dass die Werke Arp Schnitgers heute als Inbegriff barocker Orgelkultur im nordeuropäischen Kulturraum gelten, hat der Oldenburger Quellenfund auch auf einer weiteren Ebene erste Anstöße gegeben. Da erkennbar ist, dass zum einen noch andere ungehobene ‚Schätze’, d.h. Quellen zum Orgelbau, in den Archiven schlummern – wenn auch nicht unbedingt von der spektakulären Art des Oldenburger Fundes –, zum anderen angesichts der modernen Speicher- und Datenbankmöglichkeiten auch technisch neue Forschungsansätze möglich sind, wurden bereits Vorüberlegungen für eine engere Kooperation zwischen der Arp-Schnitger-Gesellschaft in Brake, dem Institut für Orgel und Orgelbau an der Bremer Hochschule für Künste und dem Staatsarchiv angestellt – Vorüberlegungen, die die Schnitger-Forschung gerade vor dem Horizont des Jahres 2019 (Schnitgers 300. Todestag) weiter beflügeln können.

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