Eine Facharbeit über Euthanasie im Nationalsozialismus
Viktoria Kruse vom Ulricianum Aurich erhielt den diesjährigen Schülerpreis für ostfriesische Kultur und Geschichte
In Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Landesarchiv – Abteilung Aurich hat die Ostfriesische Landschaft am 7. Dezember 2023 in festlichem Rahmen im Ständesaal den „Schülerpreis für ostfriesische Kultur und Geschichte“ verliehen. Für ihre Arbeit zum Thema „Euthanasie im Nationalsozialismus unter Berücksichtigung regionalgeschichtlicher Aspekte am Beispiel Anni Poppen (Ostfriesland/Moorhusen)“ erhielt Viktoria Kruse vom Ulricianum Aurich den mit 500 Euro dotierten ersten Preis.
Viktoria Kruse beschreibt in ihrer Facharbeit nicht nur die Folgen des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von 1933, das zur Zwangssterilisierung von etwa 350.000 bis 400.000 Menschen geführt hatte, sondern auch die systematische Ermordung von Menschen mit körperlicher, geistiger und seelischer Behinderungen zwischen 1940 und 1941, die als „T4 Aktion“ bekannt geworden ist (benannt nach dem Sitz der zuständigen Zentraldienststelle in der Tiergartenstraße 4 in Berlin). Im Zentrum ihrer Untersuchung steht dabei auch ein persönliches Schicksal. So wird – anhand der überlieferten Krankenakte – der Lebensweg der in Emden geborenen und später in Moorhusen wohnenden Anni Geiken Poppen verfolgt. Diese war am 12. März 1941 mit der Diagnose Schizophrenie in die Heil- und Pflegeanstalt Osnabrück eingeliefert worden, wo sie einen Monat später an ihrem 18. Geburtstag, am 22. April 1941, an der offiziellen angegebenen Todesursache „Lungenentzündung“ verstarb. Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger begründete die Entscheidung der Jury u.a. damit, dass sich die Facharbeit von Viktoria Kruse „ganz überwiegend auf wissenschaftlichem Niveau bewegt, dass die Ergebnisse aus der einschlägigen Fachliteratur selbstständig genutzt werden und eine eigenständige Position in der Bewertung eingenommen wird“.
Ebenfalls sehr beeindruckt hat Amelie Kleine von der KGS Wiesmoor die Jury. Denn sie hat in ihrer Facharbeit „Historische Besiedlungsformen im Moor – Fehnkultur“ das durchaus komplexe Thema von der Gründung der ersten Fehne im 17. Jahrhundert bis zur heutigen Zeit fundiert dargestellt. Auch ihre Arbeit wird, wie die Arbeit von Viktoria Kruse, als weitere herausragende Arbeit auf der Website der Landschaftsbibliothek veröffentlicht. Insgesamt hatten sich elf Schülerinnen und Schüler aus fünf verschiedenen Schulen (Gymnasium Ulricianum Aurich, IGS Aurich, Mariengymnasium Jever, Ulrichsgymnasium Norden, KGS Wiesmoor) an der diesjährigen Ausschreibung beteiligt. Dr. Michael Hermann, Leiter des Niedersächsischen Landesarchivs – Abteilung Aurich, stellte resümierend fest, dass erneut sehr spannende Themen von den Schülerinnen und Schülern bearbeitet worden waren, die „auch wieder ganz neue Perspektiven auf die ostfriesische Kultur und Geschichte eröffneten“.
Landschaftspräsident Rico Mecklenburg erläuterte, dass der seit 2009 ausgeschriebene Schülerpreis nun zum 13. Mal vergeben werde. Insgesamt seien seitdem 208 Arbeiten von Schülerinnen und Schülern eingereicht worden. Rico Mecklenburg unterstrich die Bedeutung der regionalen Geschichtsforschung in Ostfriesland und dankte der ehrenamtlichen Jury.
In diesem Jahr setzte sich die Jury zusammen aus Prof. Dr. Frauke Grittner, Marten Hagen, Axel Heinze, Dr. Michael Hermann, Inka Schoß-Frerichs, Dr. Matthias Stenger und Dr. Heiko Suhr. Das musikalische Rahmenprogramm gestalteten Emma Blesene und Jona Luden vom Gymnasium Ulricianum Aurich.