Unterschätzte Archive: Strategien zur Verbesserung der Außenwahrnehmung von Archiven
Die Archiv-Nachrichten Niedersachsen 28/2024 sind erschienen!
Wie schaffen es die Archive in Niedersachsen und Bremen, ihre Arbeit und ihre gesellschaftliche Bedeutung offensiver zu präsentieren? Wie können benötigte Ressourcen beim Träger durchgesetzt werden? Welche Erwartungen haben Nutzer? Sehen Sie in den Archiven eher verstaubte Institutionen oder vielmehr ein digitales Serviceangebot? Und wo sehen sich die Archive selbst in ihren Rollen als Dienstleister für ihre Träger, Behörden und Kultureinrichtungen?
Diese Fragen diskutierten unter dem Thema „Unterschätzte Archive: Strategien zur Verbesserung der Außenwahrnehmung von Archiven“ 120 Archivarinnen und Archivare beim 7. Niedersächsischen Archivtag vom 15. bis 16. April 2024. Anlässlich des 625. Geburtstages des Goslarer Stadtarchivs tagte der Verband der niedersächsischen Archivarinnen und Archivare e. V. erstmals seit 41 Jahren wieder in Goslar und zwar in den neu eingerichteten Veranstaltungsräumen des Kulturmarktplatzes, in dem seit 2022 auch das Stadtarchiv mit seinem Lesesaal und dem Magazinbereich untergebracht ist. Die offenen Räumlichkeiten wissen zu überzeugen: eine fachgerechte Unterbringung und eine ästhetische Gestaltung müssen sich keinesfalls ausschließen.
In drei Arbeitssitzungsblöcken mit 13 Fachvorträgen wurden Themenbereiche wie die Durchsetzung von Ressourcenbedarfen beim Archivträger, die Erwartungen der Nutzer und die Diskrepanz der Archive als Kultureinrichtung und Dienstleister von Behörden behandelt.
Im dem Eröffnungsvortrag entwickelte Peter Quadflieg Strategien zum Verhandeln mit dem eigenen Träger, der „sein“ Archiv mit finanziellen und personellen Ressourcen auszustatten hat. Elementar sei es, ein Verständnis für die Aufgaben und die Vorteile eines funktionstüchtigen Archivs zu implementieren. Es gelte, die eigenen Bedarfe klar zu priorisieren und Konzepte unter Chancen-Gesichtspunkten zu präsentieren, statt in einen Jammer- oder Abwehrmodus zu verfallen.
Ulrich Albers, der langjährige Leiter des Goslarer Stadtarchivs, skizzierte die Geschichte seines Hauses im Spannungsfeld zwischen Kultur und Politik. Der Einsatz für eine angemessene Ressourcenausstattung begleitet das Stadtarchiv bis in die Gegenwart. Ein starker Verbündeter ist hier der Förderverein des Stadtarchivs. Thomas Jürgens, Vorstandsmitglied und Archivbeschäftigter, zeigt am Goslarer Beispiel auf, welche Chancen ein Förderverein für ein Kommunalarchiv bietet.
Ein wichtiger Fürsprecher für die Belange der niedersächsischen Archive ist die Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen e. V. (ALLviN). Als ihr Vertreter plädiert Hans-Eckhard Dannenberg für die Stärkung der Archive auf kommunaler Ebene und für ein dichteres Netz von kommunal getragenen Archiven in Niedersachsen.
Der Literat Jochen Schimmang blickt, mit einem konnotiert biographischen Bezug auf die Parallelen zwischen der Arbeit der Archive auf der einen und belletristischen Autorinnen und Autoren auf der anderen Seite sowie auf den Nutzen der Archive für das literarische Schreiben. Seiner Erfahrung nach mögen Archive staubig sein, allerdings gelte dies nicht für ihre Beschäftigten.
Johannes Spohr erläutert aus der Sicht eines Historikers, der sich seit vielen Jahren mit Facetten von NS-Täterschaften und -Verfolgung sowie mit familienbiografischen Recherchen beschäftigt, welche Chancen und Erwartungen sich daraus für die Archive ergeben. Die gesellschaftliche Bedeutung dieser Erinnerungsarbeit sei nicht hoch genug zu bewerten. Allerdings verlangsame der in vielen Fällen bürokratische Ablauf einer Recherche nicht nur die Arbeit der Recherchedienste, sondern auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Archiven.
Thomas Kück skizziert die Erwartungshaltung von Studierenden gegenüber den Archiven. Überaschenderweise ist ihr Bild weniger klischeebehaftet als vermutet und Kück konstatiert eine besondere Wertschätzung für Archive. Allerdings erwarten studentische Nutzer während ihrer Benutzung Unterstützung und technische Hilfestellungen.
In dem Abendvortrag stellt Helmut Liersch „Die Zimelien der Marktkirchenbibliothek“ vor. Diese Sammlung habe zwar nur einen eher bescheidenen Umfang, sei aber nichtsdestotrotz von einer herausgehobenen Bedeutung.
Florian Dirks beleuchtet aus der Sicht des Kreisarchivs Verden die Möglichkeiten und Risiken der Arbeit auf dem Feld der Erinnerungskultur. So unterstreiche die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Initiativen zwar die regionale Relevanz der eigenen Arbeit, allerdings sei der Spagat zwischen Kernaufgaben, Tagesgeschäft und der Projektgruppenarbeit zuweilen eine besondere Herausforderung.
Frank Dührkohp schließlich stellt das Projekt der Culture Cloud (Kulturdateninfrastruktur), eine gemeinsame Datenerschließung von Archiven, Bibliotheken, Denkmalpflege, Landesforschung und Museen vor. Das Ziel ist die Etablierung einer umfassenden kulturellen und historischen Informationsplattform für Niedersachsen.
In der Rubrik „Aus der Arbeit der Archive“ werden drei innovative Projekte der archivischen Öffentlichkeitsarbeit vorgestellt: Studierende der Hochschule Hannover erstellten einen Blog für das Universitätsarchiv Oldenburg, eine Ausstellung im Verwaltungsgericht Braunschweig anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Fachgerichts eröffnete neue Perspektiven in der Zusammenarbeit bei der Bewertung, und der Braunschweigische Geschichtsverein führte im Rahmen einer Fortbildung Lehrkräfte an die Arbeit mit Quellen im Geschichtsunterricht heran und gibt damit Impulse für die archivpädagogische Arbeit in der Abteilung Wolfenbüttel des Niedersächsischen Landesarchivs.
Zwei weitere Beiträge werfen Schlaglichter auf bislang wenig beachtete bzw. neue Archivalien in niedersächsischen Archiven: Annika Kalvelage stellt den Aktenbestand der Hebammenschule Göttingen von 1900 bis 2011 im Universitätsarchiv Göttingen vor, Martin Schürrer befasst sich in einer quellenkundlichen Studie mit ausgewählten Lehnsbriefen des 19. Jahrhunderts aus dem Archiv des Gutes Schulenburg in der Abteilung Osnabrück des Niedersächsischen Landesarchivs.
Die letzte Rubrik vereinigt Informationen des VNA. Der Fachverband hat bei der Mitgliederversammlung während des Niedersächsisch-Bremischen Archivtages eine Änderung seines Vereinsnamens in „Verband der Archivarinnen und Archivare in Niedersachsen und Bremen e. V.“ (VANB) beschlossen. Des Weiteren hat sich eine neue Regionalgruppe im Elbe-Weser-Raum etabliert. Beschlossen wird der Band mit dem Programm des 9. Norddeutschen Archivtages am 3. und 4. Juni 2025 in Bremen.
Die Mitglieder des VANB (Verband der Archivarinnen und Archivare in Niedersachsen und Bremen e.V.) erhalten die Zeitschrift kostenlos im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.
Die A-NN können über das Kreisarchiv Emsland erworben werden: Herzog-Arenberg-Straße 12, 49716 Meppen, 05931/446107, kreisarchiv@emsland.de
Archiv-Nachrichten Niedersachsen. Mitteilungen aus niedersächsischen Archiven, hrsg. v. Verband Niedersächsischer Archivarinnen und Archivare e.V. und Niedersächsisches Landesarchiv, ISSN 1617-6820; 28/2024, 159 Seiten, 44 Abbildungen
7. Niedersächsisch-Bremischer Archivtag in Goslar
Peter Quadflieg
„Dafür brauchen wir dann aber mehr Ressourcen …!“
Verhandlungsstrategien eines Kommunalarchivs gegenüber seinem Träger
Ulrich Albers
Das Stadtarchiv Goslar – 625 Jahre im Spannungsfeld zwischen Kultur und Politik
Thomas Jürgens
Fördervereine als Chance: Beispiel Goslar
Hans-Eckhard Dannenberg
Archive in Niedersachsen. Herausforderungen und Perspektiven aus der Sicht von ALLviN
Jochen Schimmang
Der Nutzen von Archiven für das Schreiben. Die Arbeit von Archivaren und Autoren im Vergleich
Johannes Spohr
NS-Familiengeschichte(n): Aktuelle Entwicklungen, Chancen und Erwartungen
Thomas Kück
Gesammeltes Wissen in dunklen Kellern? Die Erwartungshaltung von Studierenden der Leuphana Universität Lüneburg gegenüber Archiven
Helmut Liersch
Zimelien im Bestand Gronewalt der Marktkirchen-Bibliothek Goslar
Florian Dirks
Kommunalarchiv und Erinnerungskultur. Möglichkeiten und Risiken einer Zusammenarbeit
Frank Dührkohp
Für Forschung und Lehre – die geplante Dateninfrastruktur des Landes Niedersachsen (Culture Cloud)
Aus der Arbeit der Archive
Karolin Bubke und Gunnar B. Zimmermann
Content statt Metadaten: Studierende der Hochschule Hannover als „Science to public“-Bloggerinnen und -Blogger für das Universitätsarchiv Oldenburg
Philip Haas
Ausstellungsbeteiligung als Behördenbetreuung. Eine gemeinsame Ausstellung von Niedersächsischem Landesarchiv und betreuter Behörde zum 75-jährigen Bestehen der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit
Philip Haas
Vereinsarbeit und Metaarchivpädagogik. Erfahrungsbericht und Reflexionen zu einer regionalgeschichtlichen Fortbildung für schulische Lehrkräfte im Niedersächsischen Landesarchiv Abteilung Wolfenbüttel
Annika Kalvelage
Die Akten der Hebammenschule Göttingen
Martin Schürrer
Lehnsbriefe des 19. Jahrhunderts. Beobachtungen und Fragen an einem Beispiel aus dem Königreich Hannover
VANB-Angelegenheiten
Lars Nebelung
Bericht aus der Mitgliederversammlung des VNA e. V. am 16. April 2024
Anna Philine Schöpper
VANB-Regionalgruppe Bentheim-Emsland-Osnabrück
Thomas Bardelle und Sönke Kosicki
VANB-Regionalgruppe Elbe-Weser
9. Norddeutscher Archivtag in Bremen
INHALT
6. Niedersächsisch-Bremischer Archivtag in Hildesheim
Jörn Brinkhus
Gesetzliche Rahmenbedingungen zur Archivierung personenbezogener Unterlagen. Eine Bestandsaufnahme für die öffentlichen Archive Niedersachsens und Bremens
Christine Axer
Rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung von personenbezogenem Archivgut
Stephanie Haberer
Tiefenerschließung von Entschädigungseinzelfallakten für das Themenportal „Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts“
Janine Wasmuth und Christoph Rass
Die Osnabrücker Ausländermeldekartei. Vom Karteigut zum Forschungsdatensatz
Nina Reißig
Die Ausländermeldekartei der Stadt Osnabrück und deren Nutzung durch die Universität Osnabrück
Michael Schütz
Die Angst vor dem Scheintod und ihre Spuren im Hildesheimer Begräbniswesen
Thomas Scharf-Wrede
Die Rolle der Archive bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bereich der katholischen Kirche
Himali Loose und Ricardo da Silva Costa
Vernetzte Personenrecherche im Stadtarchiv Hannover. Ein Praxisbericht
Bettina Wischhöfer
Kirchenbücher im Kirchenbuchportal ARCHION und im Landeskirchlichen Archiv Kassel – Wechselwirkungen
Viktor Pordzik
Eine Maus im Archiv. Mehrwerte der Zusammenarbeit zwischen genealogischen Vereinen und Archiven am Beispiel Bremen
Aus der Arbeit der Archive
Britta Albers
Gründung und Aufbau des Stadtarchivs Haren (Ems) in der Inselmühle
Philip Haas
Archivausstellungen heute – wozu und wie? Überlegungen und praktische Hinweise
Sandra Funck und Henning Steinführer
Chancen und Grenzen der automatisierten Handschriftenerkennung für Archive. Ein Erfahrungsbericht mit der Software Transkribus am Beispiel des Inventars der Hanseakten des 16. und 17. Jahrhunderts im Stadtarchiv Braunschweig
Malwine Kolary Ein neuer Archivlesesaal für die Abteilung Bückeburg des Niedersächsischen Landesarchivs
Konrad Elmshäuser und Henning Steinführer Archivalien aus Bremen und Braunschweig sind Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes zur Geschichte der Hanse
VNA-Angelegenheiten
Lars Nebelung
Bericht aus der Mitgliederversammlung des VNA e. V. am 25. April 2023
Nina Reißig Regionalgruppe Bentheim-Emsland-Osnabrück
7. Niedersächsisch-Bremischer Archivtag in Goslar