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Ein Archiv zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel. Die Diskussionen um den Standort des Staatsarchivs

Bildrechte: NLA

Dass sich das Archiv eines Territoriums nicht an dessen Hauptort befindet – wie das Archiv des Landes Braunschweig in Wolfenbüttel –, ist eher ungewöhnlich. Darüber gab es in den 1930er und nach 1945 wiederkehrende Diskussionen. Die Historikerin und Archivarin Meike Buck zeichnet diese nun in einem Vortrag nach.

Am 13. September 1956 versammelten sich mehr als 100 geladene Gäste aus Politik, Wissenschaft und Kultur im niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel, um die Einweihung des neuen Archivgebäudes am Forstweg zu feiern. Archivdirektor Hermann Kleinau begrüßte die Anwesenden: „Durch Jahrzehnte sich hinziehende Planungen haben nun endlich ihre Verwirklichung gefunden und das Staatsarchiv Wolfenbüttel in die Lage versetzt, allen billigerweise zu stellenden Anforderungen gerecht zu werden.“ Der Neubau war der Abschluss eines langen Prozesses und vieler Diskussionen über den Standort und die Lagerung der Archivalien, die sich über mehr als ein halbes Jahrhundert hingezogen hatten.

„Dass das Archiv, das ja für die Herzogliche Kanzlei zuständig war, in Wolfenbüttel untergebracht war, war nur logisch – schließlich befand sich der Sitz des Hofes und der Regierung dort“, erklärt Meike Buck. Auch als der Hof Mitte des 18. Jahrhunderts nach Braunschweig verlegt wurde, verblieben die Urkunden und historischen Akten in dem wuchtigen Spätrenaissancebau in der Wolfenbütteler Altstadt. Doch schon 1884 gab es erste Überlegungen für einen Neubau, die in den 1930er Jahren endlich konkreter wurden. „Die Räume in der Neuen Kanzlei waren viel zu klein geworden, überall stapelten sich Akten, die eigentlich gar nicht benutzt werden konnten.“ Im Rahmen ihrer Masterarbeit im Fach Archivwissenschaften an der FH Potsdam hat sie die Geschichte des Landeshaupt- bzw. Staatsarchivs Wolfenbüttel in der NS-Zeit erforscht und sich dabei auch mit den Räumlichkeiten und der Aufbewahrung der Archivalien beschäftigt.

Tatsächlich begann die nationalsozialistische Regierung mit den Planungen für einen Neubau in Wolfenbüttel. Finanzierung, Bauplan, Entwurf – alles schien geregelt, als Hermann Kleinau, der 1938 die Leitung übernahm, die Standortfrage stellte. Ein Sitz in der Hauptstadt Braunschweig nahe am Staatsministerium als politischem Machtzentrum hätte auch der gestiegenen Bedeutung des Archivs für die Ziele des Nationalsozialismus entsprochen. Doch der Zweite Weltkrieg stoppte alle Neubaupläne. „In den nächsten Jahren stand der Schutz des Archivgutes vor den Folgen des Luftkrieges im Vordergrund“, erläutert die Historikerin. Dazu wurde es dezentral auf mehrere Orte verteilt, um so das Risiko größerer Verluste zu senken.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Raumnot des Archivs wieder aktuell und die Frage des Standortes erneut diskutiert – mit ganz ähnlichen Argumenten. Besonders die Stadt Wolfenbüttel engagierte für den Verbleib des Archivs und bot das Grundstück am Lechlumer Holze an. Wie die Geschichte ausgeht, ist bekannt: „Am 13. September 1956 wurde der Neubau als erster Archivzweckbau in Niedersachsen nach dem Zweiten Weltkrieg eingeweiht“, erzählt Dr. Brage Bei der Wieden, der das Archiv – heute die Abteilung Wolfenbüttel des Niedersächsischen Landesarchivs – leitet. Seit 1998 stehen das Gebäude und Teile seiner Inneneinrichtung unter Denkmalschutz und ist damit eines der jüngsten Baudenkmale in Wolfenbüttel.

„Da es bisher keine Arbeit über die Geschichte des Archivs in der NS-Zeit gab, hat das Landesarchiv den Druck der Masterarbeit ermöglicht“, freut sich Brage Bei der Wieden. Das so entstandene Buch wird nun der Öffentlichkeit vorgestellt. In ihrem Vortrag dazu richtet Meike Buck den Fokus auf das Ringen um einen Neubau und die Diskussionen um eine Verlegung.

Informationen

Es scheint zweckmäßig, […] das Staatsarchiv in Wolfenbüttel nach Braunschweig […] zu verlegen. Das Braunschweigische Staatsarchiv zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig

Vortrag zur Buchvorstellung von Meike Buck

Donnerstag, 25. April 2024, 19 Uhr

Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel, Forstweg 2, 38302 Wolfenbüttel


Zwischen politischen Erwartungen und archivischem Selbstverständnis -- Das Braunschweigische Landeshaupt- bzw. Staatsarchiv Wolfenbüttel in der Zeit des Nationalsozialismus, Meike Buck (Kleine Schriften des Niedersächsischen Landesarchivs, Band 4), Hannover 2023, 168 S., zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-9822657-2-8, 12,00 €.

Diese Publikation können Sie über den Buchhandel oder direkt beim Niedersächsischen Landesarchiv, Am Archiv 1, 30169 Hannover, oder per E-Mail an poststelle@nla.niedersachsen.de beziehen.


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