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Bestand Rep 100 der Abteilung Osnabrück vollständig online

1,8 Millionen Scans zur Geschichte des Osnabrücker Landes in der frühen Neuzeit sind in Arcinsys digital verfügbar.


„Rep 100 ist digitalisiert und online!“. Die langjährigen Nutzer:innen der Abteilung Osnabrück haben diese Nachricht im September 2022 mit großer Freude aufgenommen, Forscher:innen, die den Bestand noch nicht kennen, werden ihn nun bequem von zu Hause und ohne Zeitdruck entdecken können.

Der Bestand besticht durch seine inhaltliche Bandbreite: Wer sich mit der Geschichte des Osnabrücker Landes zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert befasst, kommt an dieser einzigartigen Überlieferung nicht vorbei. Der Bestand enthält Unterlagen, die das gesamte Spektrum des frühneuzeitlichen Verwaltungshandelns darlegen: politische Geschichte, die zum Teil eine reichsweite Bedeutung annahm – wie im Falle der Friedensverhandlungen während des 30jährigen Krieges (Abb. links und unten links) oder durch die Teilnahme an den Reichstagen, aber auch die Verwaltungs-, Wirtschafts-, Sozial-, Bildungs-, Umwelt- oder Kirchengeschichte des Fürstentums Osnabrück sowie Heimat- und Familiengeschichte – z. B. anhand der Bevölkerungsaufnahmen von 1651-1663 und 1772 (Abb. unten rechts) und der zahlreichen Steuerregister ab 1458 – können gleichermaßen mithilfe dieser Archivalien erforscht werden.

Die Breite der Überlieferung hängt mit der zweiten Besonderheit des Bestandes zusammen: Er vereint nicht nur die Aktenüberlieferung der zentralen Verwaltungsbehörden des ehemaligen Fürstentums Osnabrück, sondern auch Akten des Osnabrücker Domkapitels sowie eine Splitterüberlieferung einzelner Klöster der Region. Dies steht eigentlich dem im deutschen Archivwesen grundlegenden Herkunftsprinzip entgegen, das die Bildung von Beständen nach den abgebenden Stellen, d. h. nach Behörden, Einrichtungen oder Personen, vorsieht. Diese Vermischung ist vor allem der sogenannten Französischen Zeit geschuldet. Nachdem das Fürstbistum Osnabrück 1802 seine Eigenständigkeit verloren hatte und die Säkularisierung vollzogen wurde, erlebte das Territorium schnell wechselnde Herrschaften (Königreich Hannover, zeitweise Besatzung durch Frankreich, Königreich Preußen). 1807 wurde das Territorium des ehemaligen Fürstentums dem neu gegründeten Königreich Westfalen unter der Führung des jüngeren Bruders Napoleons, Jérôme, zugeschlagen; zwischen 1811 und 1813 ging es schließlich als Ober-Ems-Departement sogar vollends im Kaiserreich Frankreich auf.

Aus Furcht vor Zerstörungen während der revolutionären und napoleonischen Kriege waren bereits ab 1794 die Archive und Registraturen der Behörden zeitweilig ausgelagert – teils nach Bremen, nach Hannover oder Minden. 1807 kamen auf Verlangen der westfälischen Verwaltung die letzten ausgelagerten Akten zurück und wurden am Sitz der Präfektur, im Osnabrücker Schloss zusammengelegt. Die neu eingerichteten Verwaltungen sortierten die alten, für die Erledigung der laufenden Geschäfte noch benötigten Akten in die eigenen Registraturen nach sachlichen Gesichtspunkten ein, ohne auf deren Herkunft Rücksicht zu nehmen.

Nach dem Abzug der Franzosen wurde versucht, die Registratur nach Behörden zurück zu sortieren und eine gewisse inhaltliche Ordnung herbeizuführen, denn auch die neue Hannoversche Behörde, die Landdrostei, war für die Beurteilung vieler Angelegenheiten auf das schnelle Auffinden der alten Akten angewiesen. Der Bestand nahm v. a. mit den nebenamtlich geführten Arbeiten des Verwaltungsbeamten Jaques ab 1839 langsam seine heutige Gestalt an, indem auf eine Aufteilung der Akten nach ihrer Herkunft endgültig verzichtet wurde und alle Unterlagen des Geheimen Rates und der Land- und Justizkanzlei als weltliche Verwaltungsgremien des Osnabrücker Bischofs, des Domkapitels, einzelner Klöster aber auch der westfälischen und französischen Behörden zusammengeführt wurden. Die Dokumente des Bestandes wurden in den folgenden Jahrzehnten u. a. durch den Amtsgerichtsrat und Historiker Julius Sudendorf und ab 1869 durch Archivare des neugegründeten Staatsarchivs Osnabrück nach sachlichen Gesichtspunkten in Abschnitte einsortiert und verzeichnet, was dem Bestand auch in der Literatur den Namen „Abschnittsarchiv“ einbrachte. Innerhalb dieser insgesamt 388 Abschnitte wurden die formierten Verzeichnungseinheiten chronologisch verzeichnet und fortlaufend nummeriert.

Der Bestand überstand – wie alle Archivalien des Staatsarchivs Osnabrück – unbeschadet den Zweiten Weltkrieg. Er gehörte zu den ersten Osnabrücker Beständen, die im Rahmen der Hagener Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten für die Bundessicherungsverfilmung, d. h. für die Erstellung von Kopien auf Mikrofilm und deren Verwahrung im zentralen Bergungsort der Bundesrepublik, gemeldet wurden. Auf der Grundlage dieser Sicherungsfilme aus den 1970er Jahren wurde nun eine komplette Digitalisierung des Bestandes „NLA OS Rep 100“ durchgeführt. Auch wenn damit auf Farbreproduktionen verzichtet werden musste und einige Aufnahmen nicht den höchsten Standards entsprechen (Abb. unten), so konnten in verhältnismäßig geringer Zeit und mit wenig Personaleinsatz fast 1,8 Millionen Scans entstehen. Die Qualitätskontrolle der Bilddateien und die Nacharbeiten erwiesen sich aufgrund einiger Veränderungen, die der Bestand zwischen der Erstellung der Sicherungsfilme und der Anfertigung der Scans erfahren hatte, umfangreicher als gedacht: die Akten der westphälischen und französischen Behörden waren Ende der 1970er Jahren vom „Abschnittsarchiv“ herausgetrennt und zu eigenständigen Beständen formiert worden; auch Forst- und Lehnsakten wurden anderen Beständen zugewiesen. Zudem wurden viele Akten aufgrund ihres Umfanges auf mehrere Bände aufgeteilt.

Mit der Online-Stellung des kompletten Bestands hat die Abteilung Osnabrück ihr Angebot an digital verfügbaren Archivalien weiter ausgebaut. Auch bei geschlossenem Lesesaal können Genealogen, Heimatforscher und alle Interessierte ortsunabhängig und ohne Registrierung in den 10.370 Akten recherchieren und Neues entdecken. Darüber hinaus ist auch das Herunterladen einzelner Seiten in hochauflösender Qualität möglich. Für Ausstellungszwecke und Publikationen können Farbreproduktionen im Archiv angefragt werden.

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